Seit dem 1. Januar 2022 gilt in der Schweiz die sogenannte „Self-ID“, also die Möglichkeit, sich den amtlichen Geschlechtseintrag selbst auszusuchen. Wie ist es seitdem um Transaktivismus, Frauen und Cancel Culture in der Schweiz bestellt? Wir geben einen Überblick.
Gesetz ausgenutzt
Wie zu erwarten, wurde das Gesetz bereits ausgenutzt. In der Schweiz gehen Frauen ein Jahr früher in Rente. Deshalb ließ sich ein Mann wenige Tage nach der Einführung des Gesetzes behördlich zur „Frau“ umtragen, wie die Luzerner Zeitung (Paywall) berichtete. Der Vorgang kostete ihn einmalig rund 75 Franken – die AHV-Rente, die er deshalb früher beziehen kann, beträgt 28.680 Franken jährlich. Möglichkeiten, diese Form des Missbrauchs zu verhindern, gibt es nicht – im geplanten deutschen Selbstbestimmungsgesetz übrigens auch nicht.
Philosophin Meier-Seethaler gecancelt
Das EMMA-Magazin berichtete, dass die Schweizer Philosophin Carola Meier-Seethaler im Februar 2022 von einer Ausstellung über „Frauen in der Philosophie“ im Rahmen der PhilExpo2022 des Philosophie-Portals „philosophie.ch“ ausgeschlossen wurde. Sie hatte es gewagt, von der „Gleichstellung der Geschlechter“ zu sprechen, die „noch längst nicht erreicht [ist], solange weltweit Frauen aufgrund ihres biologischen Geschlechts diskriminiert, verfolgt und ermordet werden“. Da Meier-Seethaler auf Kritik vom Ausstellungsteam hin das Wort „biologisch“ nicht streichen wollte, wurde ihre Beteiligung zurückgezogen; ihr Text hätte nur anonym und nach ‚Bereinigung‘ erscheinen dürfen, was die Philosophin ablehnte. Der Geschäftsführer Philipp Blum entschuldigte sich zwar und sprach sich gegen Cancel Culture aus, doch der Schaden war bereits eingetreten.
Psychoanalyse-Konferenz gestört
Auch in Genf haben TransaktivistInnen ihre Dominanz und Diskursverweigerung unter Beweis gestellt. Das „Zentrum für Psychoanalyse“ lud am 29. April 2022 zu einer Diskussion über sogenannte „Transkinder“ ein. Doch stürmten aus Protest etwa 20 AktivistInnen unter Sprechchören den Veranstaltungssaal, bestückt mit einem Transparent, auf dem „Transphobie tötet“ geschrieben stand, wie Zukunft.ch berichtete. Die TeilnehmerInnen der Tagung zogen sich daraufhin in eine private Räumlichkeit zurück und setzten die Veranstaltung dort fort.
Lesben ohne Wagen auf Zurich Pride
Im Vorfeld der Zurich Pride, die am 18. Juni 2022 stattfinden soll, gab es ebenfalls Diskussionen. Zunächst stieß das vorgeschlagene Motto „Trans Normal“ auf Kritik, weil es impliziere, dass es eine gesellschaftliche Norm für Menschen, die sich als „trans“ identifizieren, gäbe. Der nächste Aufreger war, dass Lesben nicht mit einem eigenen Wagen teilnehmen dürfen. Insgesamt gibt es 17 Wägen, wovon 13 für gemeinnützige Organisationen und vier für Unternehmen reserviert sind. Für Lesben ist da offenbar kein Platz. Dies wird mit einem internen Punktesystem begründet, nach dem die Wägen vergeben werden, welches die Lesbenorganisation Schweiz (LOS) – ebenso wie ihren Ausschluss – in einem offenen Brief kritisierte.
In der Schweiz wurde erst am 7. Februar 1971 das Frauenwahlrecht auf Bundesebene eingeführt. Offensichtlich ist noch viel zu tun.
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