„Die Fälle männlich-brachialer Gewalt, von denen uns online berichtet wird, sollen dazu dienen, uns zu demobilisieren, zu demoralisieren und einzuschüchtern. Doch am Samstag löste sich dieses Gefühl der Angst auf.“
Eine unserer Mitfrauen hat eine Demonstration für Frauenrechte in Berlin besucht. Hier folgt ihr Erfahrungsbericht.
Davor
Um „Gegen alle Unterdrückungsmaßnahmen und Gewalt gegen Frauen“ zu demonstrieren, lud die Gruppe ‚Radfem Berlin‘ am Samstag, den 26.03.2022, Frauen dazu ein, sich ihr Manifest anzuhören. In diesem geht es rund um Frauenrechte um Themen wie Leihmutterschaft, Prostitution und auch Gender.
Viele Frauen hatten Bedenken zu erscheinen, sogar Ängste. Denn kurz nachdem die Ankündigung publik gemacht wurde, mobilisierte die Berliner Queer-Szene eine Gegendemonstration. Und manche kannten schon die Aufnahmen aus anderen Städten in Europa, in denen zu sehen waren, wie linke Männer mit rosablauen Transaktivisten-Flaggen oder Antifa-Symbolen Frauen an der Kleidung von ihren Plätzen zerrten (Paris), ihnen die Schilder aus den Händen rissen (Köln), Lesben angriffen (Bordeaux) oder Plätze mit Graffitis ‚markierten‘. Das ist Randale mit Drohcharakter, wie jüngst in Köln am FrauenMediaTurm, dem Sitz des Büros der Zeitschrift EMMA, geschehen. Oder in Paris, wo der Konflikt schon heftiger und länger schwelt und wo mit der gesprayten Drohung „Save a trans, kill a TERF“ („Sauve 1 trans bute 1 terf“) eine weitere Stufe der Eskalation erreicht wurde.
Diese Fälle männlich-brachialer Gewalt, von denen uns online berichtet wird, sollen dazu dienen, uns zu demobilisieren, zu demoralisieren und einzuschüchtern.
Doch am Samstag löste sich dieses Gefühl der Angst auf.
Währenddessen
Die Haltestelle heisst „Bundestag“ und mit mir steigt ein Mann mit Zopf und Kleid aus. Er wirkt schüchtern, schaut auf den Boden. Ich weiß genau wo er hingehen wird – zu der Gegendemonstration. Ich weiß auch, dass diese Aktivisten als Menschen sehr nett sein können. Ihre Einzelschicksale münden allerdings in Gruppen, die sehr schnell zu aggressiven Mobs werden.
Nach 5 Minuten Gehweg erreiche ich die Demonstration auf der Grünfläche. Vor uns liegt die Heinrich-von-Gagern-Strasse und weiter weg der deutsche Bundestag im Reichstagsgebäude. Die Veranstalterinnen von ‚Radfem Berlin‘ versicherten uns vorher, dass die Polizei anwesend sein wird, um den Abstand der beiden demonstrierenden Gruppen und damit die Sicherheit der Frauen zu gewährleisten. Und ich bin nun zweifach erleichtert, als ich zusätzlich zu den vielen Frauen (laut Angaben ‚Radfem Berlin‘ wurden 70 Frauen gezählt) auch die Polizei vorfinde, um einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu gewährleisten.
In 60 Metern Entfernung erkenne ich ich eine Transflagge, das ist die Gegendemonstration am Straßenende. Zwischen uns befinden sich während der gesamten Zeit Polizisten, eine Zeit lang sind es bis zu 8 Mann, sodass die Gegendemonstranten sich zu keinem Zeitpunkt nähern können, auch wenn man immer wieder sehen kann, dass einzelne Männer das versuchen, etwa rechts im Bild unten. Einmal läuft ein Mann vor uns auf der Heinrich-von-Gagern-Strasse entlang, um die Rede der Frauen mit einer Trillerpfeife zu stören. Er wird von den Polizisten weggeschickt.
Wir bilden einen großen Kreis und die Veranstalterinnen lesen abwechselnd das Manifest vor. In diesem heisst es unter anderem:
„Wir wollen die Abschaffung des Gender, denn es ist das Instrument zur Aufrechterhaltung der sexuellen Hierarchie. Wir sind gegen die Selbstbestimmungsgesetze oder die falsch benannte “Vielfalt”, ein Gesetz, das jede Art von materieller Realität bezüglich des Geschlechts von Menschen auslöscht und es jedem Mann erlaubt, sich selbst zur Frau zu erklären, ohne irgendeinen anderen Beweis als sein Wort.“
https://radfemberlin.de/manifest
Von der Gegenseite wird uns in regelmässigen Abständen aus der Ferne „Transrights are human rights“ zugerufen und einmal versucht ein Mann, sich als von uns diskriminierte Transfrau zu inszenieren.
Doch die Frauen haben aus vorherigen brenzligen Situationen gelernt und es liegen Videoaufnahmen vor. In denen ist zu sehen, wie er durch den Zirkel von Frauen auf der Höhe der Rednerinnen laufen will, anstatt um die Gruppe herum zu gehen. Er wird aber nicht angefasst oder gar geschlagen, wie er später auf seinem Instagram Account behauptet. Nur der Eintritt wird ihm verwehrt, indem die Frauen sich vor ihn stellen. Er wird gebeten, zu gehen. In seiner späteren Darstellung vergisst er, dass es die Frauen sind, die die Polizei rufen, um ihm den richtigen Weg zu zeigen, nicht er.
Nach der Vorlesung des Manifests geht es über in die Open Mic-Vorträge, wo Frauen eigene Gedanken und Texte vortragen können. Was diese auch zahlreich tun. Die Bedenken bekommen ein Gesicht, eine persönliche Geschichte – unter anderem beschreibt eine Frau aus der Ukraine ihre Ängste, der deutschen Prostitutionspolitik und damit deutschen Zuhältern und Freiern ausgesetzt zu werden. Als wir klatschen, buhen die Aktivisten aus der Ferne, die wahrscheinlich nicht einmal die Inhalte hören können.
Danach
Letztlich haben die Transaktivisten ihren Schrecken verloren. Ja, sie mögen laut sein. Jeder, der schreit, ist das. Aber mit vielen Frauen, die aus allen Schichten der Gesellschaft kommen – auch international – und die sich versammeln, verlieren diese Aktivisten für uns ihren Schrecken. Eigentlich tun sie einem dann hauptsächlich leid. Ich freue mich auf die weiteren Treffen mit Frauen, auf den Respekt, den wir uns und den anderen weiterhin entgegenbringen, während wir laut „NEIN“ sagen.
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