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Neuseeland und Australien: Neues Positionspapier zur Behandlung von Geschlechtsdysphorie (08.2021)

Die Royal Australian and New Zealand College of Psychiatrists (RANZCP), eine Vereinigung neuseeländischer und australischer PsychiaterInnen, hat im August 2021 ein neues Positionspapier zum Umgang mit Geschlechtsdysphorie herausgegeben. Das Papier mit dem Titel „Recognising and addressing the mental health needs of people experiencing Gender Dysphoria / Gender Incongruence“ (zu deutsch etwa: „Erkennung und Behandlung der psychischen Bedürfnisse von Menschen mit Geschlechtsdysphorie/Geschlechtsinkongruenz“) ist hier zu lesen.

Die Kernaussagen des Positionspapiers lauten:

  • Geschlechtsdysphorie ist mit erheblichem Leid verbunden.
  • Es gibt verschiedene Ansichten und gemischte Erkenntnisse über die Behandlungsmöglichkeiten für Menschen, die sich Unsicherheiten bzgl. ihrer Geschlechtsidentität haben, insbesondere für Kinder und Jugendliche. Es ist wichtig, die verschiedenen Faktoren, die Komplexität, die Theorien und die Forschung im Zusammenhang mit Geschlechtsdysphorie zu verstehen.
  • Es ist wichtig, dass es eine angemessene, personenorientierte Versorgung für die psychischen Bedürfnisse von Menschen mit Geschlechtsdysphorie gibt.
  • Psychiater spielen eine entscheidende Rolle bei der Betreuung der psychischen Gesundheit von Menschen mit Geschlechtsdysphorie.
  • Psychiater sollten in einer Weise handeln, die unterstützend, ethisch und nicht wertend ist.
  • Eine umfassende Begutachtung ist entscheidend. Begutachtung und Behandlung sollten evidenzbasiert sein und die Geschlechtsidentität des Patienten, den Kontext, in dem sie entstanden ist, andere Merkmale der psychischen Erkrankung und eine gründliche Begutachtung der persönlichen und familiären Vorgeschichte vollständig erforschen. Dies sollte zu einer Diagnose/Behandlung („formulation“) führen. Die Behandlung wird immer auf die Bedürfnisse der Person eingehen und diese unterstützen.
  • Psychiater müssen die einschlägigen Gesetze und Berufsstandards in Bezug auf das Beurteilungs- und Zustimmungsvermögen der Patienten beachten, einschließlich des RANZCP Code of Ethics.
  • Die Geschlechtsdysphorie ist ein wachsendes Forschungsgebiet, in dem es derzeit nur wenige Evidenzen gibt. Bessere evidenzbasierte Forschung ist insbesondere für Kinder und Jugendliche erforderlich.

Bemerkenswert an dieser Handreichung ist, dass hier Komorbiditäten adressiert werden, also die Existenz anderer psychischer Erkrankungen, was bislang kaum thematisiert wurde. Zudem wird in dem Papier festgehalten, dass es bislang zu wenig Evidenzen in Bezug auf Geschlechtsdysphorie und ihre Behandlung gibt und somit ein Bedarf an bedeutend mehr belastbarer Forschung auf dem Gebiet besteht.

Geschlechtsdysphorie, also das Unwohlsein im eigenen Geschlecht, galt lange Zeit als Grundlage für die Feststellung einer Transgenderidentität. Mittlerweile soll aber selbst dieser von einigen PsychologInnen festgestellte Zustand dafür nicht mehr ausschlaggebend sein. Im derzeit gültigen Transsexuellengesetz werden für die Veränderung des juristischen Geschlechtseintrags („Personenstandseintrag“) zwei psychologische Gutachten verlangt, die diese Geschlechtsdysphorie beim Patienten belegen sollen. Diese Praxis soll mit den neu vorgelegten Gesetzesvorschlägen zu einem Selbstbestimmungsgesetz aufgehoben werden, sodass allein der Wunsch, einen anderen Geschlechtseintrag zu haben, dafür genügen soll, ihn umzuändern.